Hebammen-Tipps: Wie Du eine starke Bindung zu Deinem Kind entwickeln kannst


Stillen ist wichtig für eine starke Bindung zu deinem Kind. Wie du deine Bindung stärkst, wenn du nicht stillst.

Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist einzigartig. Liebevolle Zuwendung, intensiver Hautkontakt und kuschlige Nähe – davon zehren nicht nur Kinder, sondern auch Mütter. Eine gute Bindung ist ein wichtiger Baustein für das ganze Leben. Wer als Kind eine intensive Bindung zu Mutter und Vater erlebt hat, geht gestärkt ins Leben. Wie Bindung entsteht und wie Stillen und Wochenbett Bindung beeinflussen, darüber haben wir mit Hebamme Frederike Engelen vom Geburtshaus Bayreuth gesprochen.    

Frederike, als Hebamme begleitest Du Familien beim Start ins Leben und kannst dank Deiner langjährigen Tätigkeit auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Wie entsteht eigentlich eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind? Und welche Rolle spielt das Stillen dabei?

Die Bindung geschieht bereits in der Schwangerschaft, da das Baby mit dem Herzschlag der Mutter aufwächst. Es nimmt ihre Stimme, ihre Bewegungen und ihre Atmung wahr – aber auch ihre Gefühle. Ebenfalls spürt die Mutter das Kind, das in ihr heranwächst, auf eine ganz innige Weise. Mit fortschreitender Entwicklung nimmt sie seine Bewegungen wahr und merkt in den Tagen vor der Geburt sogar, wenn ihr Baby Schluckauf hat. Über die Geburt, die ein sehr intensives Erleben für beide ist, zieht sich dann die Bindung bis weit ins spätere Leben hinein.

Das Stillen spielt für die Bindung eine besondere Rolle, da es als Exklusivrecht – oder eine Exklusivzeit - zwischen Mutter und Kind bezeichnet werden kann: es ist eine Tätigkeit, welche niemand anderes als die Mutter übernehmen kann.

Das Kind bindet sich beim Stillen natürlich erstmal über die Nahrung, aber auch über alle anderen wichtigen Faktoren wie Geruch, Blickkontakt und Hautkontakt mit der Mutter. Durch all diese Sinneswahrnehmungen bekommt auch die Mutter einen festeren Bezug zu ihrem Kind. Wichtig sind beim Stillen natürlich auch die gesundheitlichen Faktoren der Muttermilch. Bis heute ist sie jedem „technologisch hergestellten“ Muttermilchersatz überlegen.  

Kann jede Mutter stillen? 
Ich gehe davon aus, dass jede Mutter, die eine gesunde Schwangerschaft austrägt, auch stillen kann. Es gibt schon Situationen, die Stillen erschweren können. Noch seltener gibt es auch Situationen, die eine Mutter nicht so gut Milch bilden lassen, dass das Baby davon satt werden kann. Aber diese Situationen sind wirklich selten. Grundsätzlich würde ich erstmal davon ausgehen, dass jede Mutter stillen kann. Was dann die Wochen und Monate nach der Geburt bringen, muss dann individuell betrachtet werden.  

Was würdest du Müttern raten, die aus irgendeinem Grund nicht stillen können oder wollen: Wie können sie die Bindung zum Baby fördern? 
Ganz wichtig ist viel Hautkontakt. Am besten, indem man es sich im Bett gemütlich macht, zu zweit Haut auf Haut kuschelt und sich vor den vielen Reizen von außen etwas abschirmt. Am meisten hilft für die Bindung die Zeit zu zweit, wenn man Stunden und Tage gemeinsam kuschelt. Das kann auch vieles aufwiegen, wenn eine Mutter nicht stillen kann. Oft hat sie ein schlechtes Gewissen, was sie gar nicht haben sollte. Und eine Mutter, die nicht stillen will, hat dafür ihre Gründe, die andere akzeptieren und ernst nehmen sollten. Wenn eine Mutter nicht stillt, ist es besonders wichtig, dass sie und ihr Kind grade am Anfang einen sehr engen Kontakt haben.  

Hast du eine Empfehlung für die Stilldauer? 
Ich beziehe mich auf die WHO Empfehlung: 6 Monate volles Stillen und dann über mindestens 3 Monate ein langsames Abstillen. Aber viele Mütter wollen länger stillen, in Begleitung von Beikost. Der Trend geht auch tatsächlich dahin, dass länger als 9-12 Monate gestillt wird neben der Beikost. Das ist auch gut so und nicht verkehrt. Vom rein medizinischen Faktor wäre es jedoch nicht nötig, es geht dabei eher um die Bindung. Stillen ist etwas, was nur die Mutter dem Kind bieten kann. Alle anderen Sachen können auch andere Leute im Umfeld dem Kind gut geben.  

Was für Tipps würdest du Frauen zum Thema Stillen noch mitgeben? Und welche Ratschläge hast du für schwangere Frauen? 
Geht erstmal von der Normalität aus – davon, dass das Stillen funktionieren wird. Macht euch keinen Druck im Sinn von „Ich muss unbedingt stillen, und es muss so und so lange klappen.“ Stattdessen sollte man stressfrei bleiben, die Schwangerschaft genießen, die Geburt abwarten, und für ein entspanntes Wochenbett sorgen. Ich würde schwangeren Frauen raten, bewusst das Wochenbett im Voraus zu planen: Dafür zu sorgen, dass sie viel Unterstützung bekommen, dass ihnen wohlschmeckendes Essen von Bekannten oder Verwandten zubereitet wird, dass der Partner auf eine wohltuende Weise miteinbezogen wird und dass das Wochenbett zu einer entspannten Zeit wird. Je ruhiger, gemütlicher und gelassener man da rangeht und sich das einplant, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mutter-Kind-Bindung gut weiterentwickeln kann und so dann auch das Stillen funktioniert.  

Das Wochenbett spielt deiner Meinung nach also eine ganz wesentliche Rolle für die Mutter-Kind-Bindung und auch für einen guten Still-Start. Was kann man praktisch tun, damit diese wertvolle Zeit so stressfrei und entspannt wie möglich ist? 
Man sollte es so organisieren, dass das Wochenbett gemütlich wird, nicht zu viel Besuch kommt und es nicht zu viel Hektik und Trubel gibt.

Das Wochenbett ist eine ganz wichtige und intensive Phase des gemeinsamen Lebens von Mama, Papa und Kind. Hier sollte man sich nicht von außen zu viel „verorganisieren“ lassen. Während dem Wochenbett sollte man sich nicht zu schnell wieder dem Haushalt, dem Organisieren oder Freundschaften zuwenden, weil es primär die intensive Kennenlernzeit zwischen Mutter, Vater und Kind ist. Und wann im Leben einer Frau kommt nochmal die Phase, in der man einfach kuscheln kann, wann immer man möchte, und sich ins Bett oder auf die Couch legen kann, wenn man darauf Lust hat?

Babys schlafen in den ersten Tagen nach der Geburt noch viel. Essen und Trinken ist bei ihnen im Stillen inbegriffen – man hat also wirklich viel Zeit, um mit dem Kind zu kuscheln und sich selbst auszuruhen. Diese Zeit hört auch schnell wieder auf, dann holt einen der Alltag ein, und viele Mütter denken dann reumütig an die erste Zeit der Geburt zurück und denken: „Wir hätten uns da mehr ausruhen können“ oder „Wir hätten uns noch mehr zurückziehen können“. Aber dann ist die Phase vorbei und kommt nicht wieder.

Daher möchte ich das gerne Frauen schon in der Schwangerschaft mitgeben:
Organisiert euch im Voraus die Zeit des Wochenbetts, damit ihr euch dann um möglichst nichts kümmern müsst. Soweit wie möglich, füllt alle Anträge noch in der Schwangerschaft aus. Sagt den Bekannten in eurem Umfeld, dass es reicht, wenn sie nach ein oder zwei Wochen zu Besuch kommen, damit diese allererste, intensive Phase des gemeinsamen Lebens durch nichts und niemanden gestört wird. Lasst nur die allerengsten Verwandten zu Besuch kommen – solche, die keinen Stress auslösen, die euch etwas zu Essen mitbringen können, und die dann auch wieder gehen und eure kleine Familie für sich lassen.

Wie viel Besuch gut ist, ist in jeder Familie anders. Es geht vor allem darum, dass die Mutter sagen kann, wann sie Besuch möchte und wann nicht – und nicht, dass die Freunde und Verwandten kommen, wenn sie Lust haben. Die Zeit des Wochenbetts ist eine besondere, eine heilige Zeit. Wenn diese gut gelebt und genossen wird, dann wird auch das Stillen viel einfacher sein und sich eine gute Bindung zum Kind entwickeln.  

Zur Interviewpartnerin

Friederike Engelen ist Mutter einer Tochter und arbeitet als Hebamme im Geburtshaus Bayreuth. Sie hat ein Masterstudium in Hebammenwissenschaften absolviert und hat jahrelange Erfahrungen als freiberufliche Hebamme.

Autor: sigikid
Elternschaft ist ein Abenteuer. Es ist nicht nur anstrengender und herausfordernder als man sich je vorher als kinderloses Paar hätte vorstellen können - sondern auch erfüllender, glücklicher und Lachen-ins-Herz-zaubernder. Mit unseren Blogs möchten wir Eltern da begegnen, wo sie stehen – mitten im prallen Familienleben – und sie an das Wundervolle erinnern, das ihnen dort tagtäglich begegnet.