Keine Angst vor dem Familienbett! Vom Wert nächtlichen Kuschelns
sigikid
Baby | Gesundheit & Selfcare Elternblog
Baby | Gesundheit & Selfcare Elternblog
Nora Imlau, Autorin des Ratgebers „Schlaf gut, Baby!“ erklärt im sigikid-Interview, warum sie das Familienbett liebt.
Nora, Sie sind ein bekennender Fan des Familienbetts. Was finden Sie gut daran?
Es ist ein großartiger Ort, um die Bedürfnisse von Eltern und Kindern unter einen Hut zu bekommen. Babys brauchen das Gefühl, nicht alleine zu sein. Eltern brauchen ihren Schlaf und wollen nachts nicht herumlaufen. Im Familienbett können sie das kindliche Nähebedürfnis erfüllen, ohne etwas tun zu müssen. Mit einem eigenen Kinderzimmer tun Babys sich schwer. Evolutionär sind sie nicht auf einen Schlafplatz alleine vorbereitet. Im Schlaf sind sie schutzlos. Die Nähe zu den Eltern hilft beim Überleben. Menschheitsgeschichtlich betrachtet ist das Kinderzimmer eine moderne Erfindung.
Inwiefern?
Mit der Industrialisierung wurde das Menschenbild technisiert. Auch Kinder wurden in einen Rhythmus gezwängt, um sie auf die Arbeitswelt vorzubereiten. In dieser neuen Welt galt es als Statussymbol, ein separates Kinderzimmer zu haben. Die meisten Familien mussten ja in einem einzigen Zimmer schlafen.
Einige Studien legen einen Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Kindstod (SIDS) und einem geteilten Bett nahe. Wie stehen Sie dazu?
Eltern werden oft vor dem Co-Sleeping gewarnt. Man muss sich aber klar machen: Offizielle Empfehlungen sind so formuliert, dass sie für alle Eltern gelten. Auch für Risikogruppen, also etwa Mütter, die unter Alkoholeinfluss stehen. Für diese ist es tatsächlich das Sicherste, ihr Baby nicht im Elternbett schlafen zu lassen. Für die anderen gilt: Co-Sleeping ist sicher. Man muss nur bestimmte Bedingungen beachten.
Welche sind das?
Das Kind in Rückenlage auf einer festen Unterlage betten. Wasserbetten sind ungeeignet, auch auf der Ritze, auf Kissen oder Decken sollte der Säugling nicht liegen. Die Eltern dürfen nicht unter dem Einfluss von Medikamenten, Alkohol oder Drogen stehen. Und die Babys sollten am besten gestillt werden.
Was hat Stillen mit der Sicherheit des Familienbetts zu tun?
Stillkinder können von Geburt an mit im Elternbett schlafen, wenn die genannten Maßnahmen beachtet werden. Stillen ist ein wichtiger Schutzfaktor vor dem plötzlichen Kindstod. Dadurch verringert sich das Risiko von SIDS um 50 Prozent! Stillen stimuliert das Atemzentrum, gleichzeitig schlafen die Babys weniger tief. Das ist ein Vorteil. Denn das Atemzentrum von Säuglingen ist noch nicht ausgereift. Es gibt immer wieder kleine Atemaussetzer. Wenn die Babys in einen sehr tiefen, langen Schlaf fallen, kann es passieren, dass sie keinen Impuls bekommen, wieder Luft zu holen. Wenn sie alleine in einem Zimmer liegen, ist das fatal. Liegt die Mutter aber direkt neben ihrem Kind, spürt sie solche Atempausen und kann reagieren.
Was halten Sie von Babybalkonen, die ans Elternbett gestellt werden? Sind die ein Kompromiss?
Ein Beistellbett ist ein guter Mittelweg. So hat die ganze Familie mehr Platz und das Baby kann auch nicht aus dem Bett fallen. Wenn das Baby im Laufe der Nacht aber doch ins Elternbett wandert, weil es beim Stillen im Arm der Mutter einschläft, ist das völlig in Ordnung. Mütter sollen keine Angst davor haben. Es ist total normal und kein Sicherheitsrisiko.
Kann es passieren, dass man den richtigen Moment für die Umgewöhnung aufs Kinderzimmer verpasst?
Man kann immer etwas ändern. Je älter das Kind wird, desto besser kann man mit ihm in den Dialog treten. Man kann besprechen, was man als Eltern leisten kann und was nicht – und eine Lösung finden. Meistens werden Kinder mit zweieinhalb bis drei Jahren, wenn sie sich in der Autonomiephase befinden, von alleine selbstständiger. Sie lassen sich dann mit der Vorstellung locken, in einem eigenen Zimmer schlafen zu dürfen.
Sie haben unter anderem das Buch „Das Geheimnis zufriedener Babys“ geschrieben und mit dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster den Ratgeber „Schlaf gut, Baby“. Was ist das Geheimnis zufrieden schlafender Babys?
Wichtig ist körperliche Nähe. Sie legt den Grundstein für die Bindung zum Kind. Das Gefühl der Geborgenheit führt später zu Liebesfähigkeit, Resilienz und Selbstbewusstsein. Nachts lässt sich diese Nähe ganz einfach herstellen. Kleinkinder, die den ganzen Tag herumwuseln und ihren Radius der Welterkundung immer mehr erweitern, dürfen nachts klein sein, sich anschmiegen und auftanken.
Wie handhaben Sie das zu Hause?
Meine drei Kinder sind zwölf, neun und zwei Jahre alt. Wir haben extra ein großes Bett bauen lassen, das zeitweise eingerahmt war von Kinderbetten. Eine richtige Schlaflandschaft. Mittlerweile sind die beiden älteren Kinder aus freien Stücken umgezogen ins eigene Zimmer. Grundsätzlich gilt bei uns trotzdem: Unser Bett ist immer offen. Jedes Kind kann bei uns schlafen, wenn es krank ist oder es das aus anderen Gründen braucht.
Was ist Ihr Rat an Eltern?
Gebt eurem Baby die Nähe, die es braucht! Wenn es nur Bauch an Bauch gekuschelt mit euch einschlafen kann, ist das so. Ihr könnt es nicht Verwöhnen. Das Wichtigste ist, den Schlaf nicht als Erziehungsfeld zu sehen! Beim Schlafen geht es darum, dass alle möglichst viel Erholung bekommen. Alles, was dabei hilft, ist gut. Findet eine Lösung, die jetzt für euch passt. Ohne Angst, was das in einem halben Jahr bedeuten könnte.
Über die Interviewpartnerin:
Nora Imlau ist Autorin und Journalistin für Familienthemen. Bindungsorientierte Erziehung ist ihr wichtig. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter „Mein kompetentes Baby“, „Das Geheimnis zufriedener Babys“ und gemeinsam mit dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster „Schlaf gut, Baby!“. Nora Imlau ist Mutter von drei Kindern.