Kuscheln macht stark – vor allem Jungs!
sigikid
Gesundheit & Selfcare | Erziehung Elternblog
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Jungs sind das sensiblere Geschlecht, sagen Wissenschaftler. Vor allem als Babys brauchen sie viele Streicheleinheiten.
Laura Dieckmann, Redakteurin beim Online-Magazin Echte Mamas, erklärt im sigikid-Interview, warum gerade Jungs besonders viel gekuschelt werden sollten.
Sie schreiben im Online-Magazin Echte Mamas, dass Jungs mehr emotionale Unterstützung brauchen als Mädchen.
Was meinen Sie damit?
Es gibt immer noch die Tendenz, dass Jungs anders erzogen werden als Mädchen. Das ist zwar nicht mehr so schlimm wie früher, aber unbewusst steckt es in den Köpfen. Jungs werden für zäher und stärker gehalten. Sie sollen aufgeschürfte Knie haben und sich nicht darüber beschweren. Wenn ein Junge sich auf dem Spielplatz nicht traut, das Klettergerüst ganz nach oben zu klettern, rutscht Eltern schon nochmal ein: „Nun sei doch nicht so ne Memme!“ heraus. Aber Studien zeigen, dass Jungs viel sensibler sind, als wir annehmen.
Was sind die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft?
Das beginnt schon im Mutterleib. Die Studie „The fragile Male“ zeigte, dass ungeborene Jungs im Vergleich zu weiblichen Föten empfindlicher auf mütterlichen Stress reagieren. Sie sind anfälliger für frühkindliche Gehirnschädigungen und werden häufiger zu früh geboren. Auch die Geburt verkraften Jungs häufiger weniger gut als Mädchen. Sie haben danach viel höhere Dosen des Stresshormons Cortisol im Blut. Und sogar Geburtstraumata sind bei Jungs häufiger.
Eigentlich sind also Jungs das sensible Geschlecht?
Wissenschaftlich gesehen, ja. Sie reagieren einfach empfindlicher auf äußere Einflüsse. Jungs gehören dadurch leicht zu den Schreibabys oder zu solchen, die sehr nervös und überreizt sind und übermäßige Betreuung brauchen.
Wissenschaftlich ist belegt, dass Jungs häufiger Verhaltensauffälligkeiten zeigen, zum Beispiel haben sie viermal häufiger ADHS.
Könnte das auch damit zusammenhängen?
Genau das legt die Studie nahe. Es heißt darin, dass Entwicklungsstörungen wie Hyperaktivität oder Autismus drei- bis viermal häufiger bei Jungs vorkommen. Ähnliches beschreibt der amerikanische Neuropsychiater Allan Shore in seinem Artikel „All our sons: Die Entwicklungsneurobiologie und Neuroendokrinologie der gefährdeten Jungen“. Das männliche Gehirn reife viel langsamer und reagiere vor und nach der Geburt empfindlicher auf soziale Stressfaktoren oder Umwelttoxine. Bindungsstörungen oder ADHS kämen deshalb häufiger vor, sagt Shore. Zum Zeitpunkt der Geburt liegen die Jungs-Gehirne in ihrer Entwicklung bis zu sechs Wochen hinter denen der Mädchen zurück!
Was bedeutet das für Jungs-Mamas: Was können Sie tun, damit ihre Söhne gesund heranwachsen?
Weil sie biologisch gesehen einen schwierigeren Start ins Leben haben, brauchen Jungs besonders viel Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten. Im Baby-Alter heißt es, Stressfaktoren möglichst von ihnen fernzuhalten, indem man liebevoll für sie da ist und ihnen das Gefühl gibt, geborgen und sicher zu sein. Am wichtigsten ist: ganz viel Kuscheln!
Kuscheln macht stark?
Auf jeden Fall. Das Gefühl, bedingungslos geliebt zu werden, gibt Selbstbewusstsein. Das gilt für alle Kinder, Mädchen wie Jungs. Und das Kuschelhormon Oxytocin macht sowieso glücklich und gesund.
Das Online-Magazin, für das Sie schreiben, erreicht täglich hunderttausende Menschen, die Themen werden Millionen Mal geteilt oder kommentiert.
Wie war das Feedback von den Müttern aus der Community zum Thema Jungs-Kuscheln?
Einige haben bestätigt, dass ihre Söhne viel verschmuster sind als ihre Töchter. Unsere Leserinnen leben größtenteils eine sehr bedürfnisorientierte Erziehung, kaum eine gehört zur „alten Schule“. Die meisten fanden es zum Glück selbstverständlich, viel mit ihren Söhnen zu kuscheln.
Leider werden Jungs immer noch schnell als „Muttersöhnchen“ beschimpft, wenn sie körperliche Nähe bei der Mutter suchen. Wie lässt sich das ändern?
Es muss zu einem Zeichen von Stärke werden, sich weich zu zeigen. Jungs müssen weinen dürfen und über ihren Kummer oder ihre Ängste sprechen. Sätze wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ prägen sich tief ein und sorgen dafür, dass Gefühle nicht gezeigt werden. Dabei ist es doch so: Im Erwachsenenalter wünschen wir uns Männer, die offen und liebevoll sind und über ihre Gefühle sprechen können. Den Grundstein dafür müssen wir als Eltern selbst legen!
Über die Interviewpartnerin:
Laura Dieckmann ist Redakteurin beim Online-Magazin Echte Mamas, mit der größten Social Community im deutschsprachigen Raum. Dort schreibt sie über Schwangerschafts-, Kinder- und Elternthemen. Vorher hat sie in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Sie ist Mama einer dreijährigen Tochter und lebt mit ihrer Familie
in Hamburg – „der schönsten Stadt der Welt“.