Wie Großeltern die kindliche Entwicklung fördern
sigikid
Familienleben Elternblog
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Großeltern schenken eine extra Portion Liebe. Bei uns erfährst du, warum Großeltern so wichtig für ihre Enkel sind.
Als die 84-jährige Elfriede, genannt Fid, aus der Narkose nach einer Herzoperation aufwachte, stand an ihrem Bett nicht ihr Mann oder einer ihrer drei Söhne, sondern ihre Enkeltochter Jessica. „Das war ein ganz besonderer Moment, ein wunderbares Erlebnis“, sagt die fünffache Großmutter. Doch nicht nur sie genießt die gute Beziehung zu ihren Enkeln. Neulich war ihre Enkelin Amélie zu Besuch, die bereits im Ausland studiert. Opa, Oma und Enkelin saßen zusammen gemütlich auf dem Sofa, als Amélie sie plötzlich anstrahlte und sagte:
„Ach, ich habe es so gut, dass ich so nette Großeltern habe.“ Früher waren die Großeltern fester Bestandteil der Großfamilie. Die Zeiten haben sich geändert. Heute lebt etwa jedes fünfte Enkelkind in Deutschland weiter als eine Stunde Fahrtzeit von seinen Großeltern entfernt. Doch auch wenn Enkel und ihre Großeltern heute nicht immer in derselben Stadt oder gar im selben Haushalt leben, können sie dennoch eine intensive emotionale Beziehung zueinander haben. Die große Bedeutung, die Großeltern für Kinder und ihre Entwicklung haben, hat sich nicht geändert.
Großeltern geben Sicherheit
Bei den Großeltern erfahren eure Kinder, wie andere Beziehungen funktionieren. Sie begreifen, dass es zur elterlichen Allmacht Alternativen gibt. Bei Oma und Opa gelten andere Regeln und Gewohnheiten. Und weil die Großeltern ihre Enkel bedingungslos lieb haben, können sich die Kleinen bei ihnen geborgen und wohlfühlen. Das hilft euren Kindern dabei, Trennungsängste abzubauen oder ihnen vorzubeugen, und lässt sie offener für Neues sein.
Doch noch wichtiger als das ist die Konstante, die die Großeltern-Enkel-Beziehung ausmacht. Denn Oma und Opa waren schon bei der Geburt des Enkelkindes da und sie bleiben je nach Lebensalter meist Wegbegleiter bis ins junge Erwachsenenalter. Deshalb haben Kinder, die eine enge Beziehung zu ihren Großeltern haben, ein weiteres Sicherheitsnetzwerk, das sie in schwierigen Lebenssituationen – sei es ein Umzug, Mobbing oder eine Scheidung der Eltern – auffängt.
Aber auch in glücklichen Kindertagen profitieren Enkel sehr von der Nähe zu den Großeltern, denn sie sind viel mehr als nur zuverlässige Babysitter. Zum einen sind Großeltern der Schlüssel zur Familien- und Weltgeschichte. Sie erzählen ihren Enkeln davon, wie Mama oder Papa als Kind waren oder wie ihre eigene Kindheit war. Wenn Großeltern von früheren Zeiten erzählen, in denen es zum Beispiel noch kein Internet gab, mit ihnen basteln oder alte Filme anschauen, geben sie Wissen und Werte ihrer Generation an die Jungen weiter.
Alltagsgroßeltern
Fid wohnte als Kind mit ihrer Großmutter in einem Haus zusammen, als diese im Krieg ausgebombt war. Ihre Oma hatte ein Ritual, an das sich Fid besonders gerne erinnert: „Wenn es im Winter am Nachmittag dunkel wurde, setzte sich meine Oma mit meiner Schwester und mir zu einem Schummerstündchen an den Ofen, so nannte das meine Oma. Draußen war es schummerig und drinnen kuschelten wir uns zusammen und bekamen Bratäpfel aus unserem Garten und unsere Oma erzählte uns Geschichten oder wir sangen gemeinsam Lieder. Das war richtig toll. Von ihr habe ich das Oma-Gefühl, das ich versuche, an meine Enkel weiterzugeben.“
Fid hat mit ihren Eltern in zwei Häusern auf einem Grundstück gelebt und dort mit ihrem Mann ihre drei Söhne großgezogen. Ihre Eltern waren liebevolle Großeltern für ihre Kinder. Konflikte gab es nicht, denn die Eltern haben sich nicht in die Erziehung eingemischt. Auch wenn sie nicht immer mit allem einverstanden waren, haben sie den Erziehungsstil der jungen Eltern akzeptiert. Absprachen brauchten sie nicht. Auch nicht später, als sie selbst mit Anfang 60 Großmutter wurde und in der umgekehrten Variante mit dem mittleren Sohn und seiner Familie in zwei Häusern auf dem Grundstück lebte.
Auch hier war der Umgang mit den Enkelkindern ganz selbstverständlich. „Wir hatten keine festen Verabredungen oder regelmäßigen Termine. Es hat sich immer so ergeben, wie wir uns gesehen oder wenn wir einander geholfen haben. Die Kinder kamen auch von sich aus vorbei oder ich habe sie mal zum Kindergarten gebracht oder abgeholt. Aber auch wir haben uns nicht in die Erziehung eingemischt. Das war uns ganz wichtig“, sagt Fid.
Schön war es für die Mutter dreier Jungs auch, sehr viel Neues in Bezug auf Mädchen zu lernen und mit ihnen andere Themen zu teilen. Weil ihr Bücher besonders wichtig sind, hat sie den Mädchen viel vorgelesen. „Immer, wenn ich einhütete, habe ich meinen Enkelinnen das Märchen Der Wolf und die sieben Geißlein erzählt und manchmal, wenn wenig Zeit war, gab es einen Schnelldurchlauf, das hat sie dann amüsiert. Für Omas ist es wichtig, Märchen zu erzählen.“
Freizeitgroßeltern
Ihre anderen drei Enkelkinder leben dreieinhalb Autofahrstunden von ihr entfernt in einer anderen Stadt. Aber auch zu ihnen haben sie und ihr Mann ein inniges Verhältnis. Entweder kamen die Enkel zu Besuch oder die Großeltern kamen zu ihnen. „Wir haben aber auch mal die Kinder gehütet, wenn die Eltern verreist waren. Wir waren im Kindergarten bekannt und durften die Kinder abholen“, sagt Fid.
Zu besonderen Festen wie Geburtstag oder Einschulung reisten die Großeltern an und Fid bastelte allen Enkeln eine Schultüte. „Die Beziehung ist anders, wenn man nicht immer das tägliche Miteinander hat und sich nicht den Alltag teilt. Aber wir sind mit allen Enkeln sehr vertraut und sehr verbunden.“ Denn durch die Entfernung wird die gemeinsame Zeit manchmal auch intensiver, zum Beispiel bei gemeinsamen Urlauben. Besonders genossen haben es die Enkel, wenn sie mal ein Wochenende alleine zu Opa und Oma kommen durften. Das haben alle Enkel gerne getan, sobald sie allein Bahn fahren konnten. „Für die Kinder war es schön, wenn sie sich mal eine Auszeit nehmen und ein verlängertes Wochenende ohne die blöden Geschwister sein konnten. Als Erstes legten sie immer unsere alten Beatles-Schallplatten auf. Auch mal allein ein bisschen verwöhnt zu werden, haben alle drei sehr genossen“, sagt Fid.
Großeltern und Enkel brauchen sich
Mittlerweile sind Fids Enkel jugendlich und erwachsen. In der Pubertät haben sie sich allerdings etwas zurückgezogen. „Das ist ja ganz normal. Da musste ich mich bemühen, mich zurückzuhalten und nicht zu neugierig zu sein“, sagt Fid. Heute freut sie sich darüber, dass ihre Enkel ihr den Begriff Influencer erklären, ihr Schulprojekte über Elektromobilität vorstellen oder den Umgang mit technischen Geräten beibringen. Die Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln ist deshalb auch eine des sich gegenseitigen Brauchens. Und dieses Gefühl macht Großeltern und Enkel glücklicher. Studien haben gezeigt, dass das Risiko, an einer Depression zu erkranken, für Kinder und Großeltern, die eine enge Bindung zueinander haben, deutlich sinkt. Und das Kümmern um die Enkelkinder kann sogar die Lebenszeit der Großeltern verlängern.
Für Fid ist das Besondere an der Beziehung zu den Enkeln, dass Großeltern den Kindern eine andere Form der Zuwendung geben können: „Sie sind gelassener als die Eltern, denn Großeltern erwarten nichts. Eltern wünschen sich immer oder erwarten, dass die Kinder irgendwann Dinge alleine können. Die Großeltern sind zufrieden mit dem, was das Kind kann. Und sie haben auch keine erzieherische Pflicht. An oberster Stelle stehen Zuwendung und das Anteilnehmen am Leben der Enkel. Wir interessieren uns für das, was sie im Moment beschäftigt.“